Tief im Herzen der belgischen Provinz Namur versteckt sich ein verfallenes Juwel, das einst das stolze Château d’Ah war. Heute existiert es nicht mehr – es wurde 2017 abgerissen. Doch bevor die Bagger anrollten, war es noch ein Anziehungspunkt für Abenteurer und Urbexer, die seine verfallenen Räume erkundeten. An einem bewölkten Spätsommertag 2016 machte ich mich auf, das Château d’Ah ein letztes Mal zu erleben.
Es gibt Orte, die man nicht so leicht vergisst. Orte, die ihre eigene Geschichte erzählen und die man beim ersten Blick als etwas Besonderes erkennt. Das Château d’Ah war einer dieser Orte. Ein verfallenes Herrenhaus, umgeben von dichter Vegetation, das mit jedem verstrichenen Tag mehr und mehr von der Natur verschlungen wurde. In den letzten Jahren vor seinem Abriss 2017 hatte es sich zu einem der begehrtesten Ziele für Urban Explorer entwickelt. Als ich das Château an einem trüben, bewölkten Spätsommertag besuchte, war klar: Dies war ein Ort, der Geschichten bewahrte – und der bald Geschichte sein würde.
Ich kam nicht durch das majestätische Eisentor, das einst den Haupteingang des Châteaus markierte. Es war längst von der Natur überwuchert und unpassierbar geworden. Stattdessen führte mich ein schmaler, kaum erkennbarer Trampelpfad durch dichtes Gestrüpp. Der Pfad war feucht vom Regen der vorangegangenen Tage, und bei jedem Schritt knackten Zweige unter meinen Füßen. Die düstere Wolkendecke über mir verstärkte das Gefühl der Isolation und Einsamkeit, das dieser Ort ausstrahlte.
Das Château tauchte langsam aus der Dunkelheit der Bäume auf, als ich näher kam. Es stand da wie ein verlassener Riese, eingewickelt in den Schleier der Zeit. Der Himmel war grau und bedrohlich, und die dicken Wolken hingen schwer über dem Anwesen, was dem gesamten Ort eine unheimliche Atmosphäre verlieh. Der Wind pfiff durch die hohen Bäume und ließ die Blätter rascheln, als ob die Natur selbst ein Lied über den Verfall dieses einst prächtigen Anwesens sang.
Das Betreten des Erdgeschosses war noch möglich, obwohl die oberen Stockwerke gefährlich wirkten. Der Verfall war allgegenwärtig. Überall lagen zerbrochene Fensterrahmen, verrottete Möbel und Mauerreste. Ein süßlicher Geruch von feuchtem Holz und Moos hing in der Luft, begleitet von der Kühle des feuchten Gemäuers. Die Wände waren mit Graffiti verschmiert, was den Eindruck verstärkte, dass dieser Ort von vielen besucht, aber von niemandem mehr geachtet wurde.
Überall im Erdgeschoss sah ich noch die Überreste der prachtvollen Wandmalereien. Blass und vom Zahn der Zeit gezeichnet, stellten sie idyllische ländliche Szenen und florale Muster dar, die einst in lebhaften Farben erstrahlten. Die Decken waren reich verziert, doch viele der Ornamente waren bereits heruntergefallen oder völlig verblasst. Jeder Schritt durch das Château war eine vorsichtige Erkundung, denn das Knarren der Dielen erinnerte daran, dass der Boden unter meinen Füßen genauso zerbrechlich war wie das Gebäude selbst.
Geschichte des Château d’Ah
Das Château d’Ah hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, die tief mit der Familie César verbunden ist. Auguste César, ein wohlhabender Möbelhersteller aus der Region, ließ das Château um 1903 erbauen. Es sollte ein Symbol seines Reichtums und seiner gesellschaftlichen Stellung sein. Der Baustil war opulent, wie es für die damalige Zeit üblich war. Hohe Decken, großzügige Räume und eine Fassade, die bereits von außen den Wohlstand der Besitzer erahnen ließ.
Doch die glanzvollen Zeiten des Châteaus waren nur von kurzer Dauer. Nach Auguste Césars Tod 1914 verfiel die Familie in finanzielle Schwierigkeiten. Die Erben verloren ihr Vermögen durch Spekulationen und Glücksspiel, was dazu führte, dass das Anwesen verkauft werden musste. In den 1920er Jahren wurde es an Adolphe Polet verkauft, einen Industriellen, der das Château als Sommerresidenz nutzte. Doch auch diese Phase war nicht von Dauer.
Im Jahr 1938 erwarben die „Aumôniers du Travail“ das Château. Diese religiöse Organisation nutzte es als Apostolische Schule, in der junge Menschen sowohl in handwerklichen Berufen als auch in religiösen und moralischen Werten unterrichtet wurden. Das Château war für einige Jahrzehnte ein Zentrum der Bildung, bevor es in den 1950er Jahren erneut den Besitzer wechselte.
Die Familie Magermans, bekannt für ihre Druckerei, erwarb das Anwesen und wandelte es in eine Produktionsstätte für Druckerzeugnisse um. Der Druckereibetrieb „Magermans Printing“ war in der Region weit bekannt, und die Familie lebte im Château bis in die 2000er Jahre. Nach dem Tod des letzten Besitzers im Jahr 2009 wurde das Château endgültig aufgegeben, und der Verfall setzte schnell ein.
Eine Reise durch das Château
Die Fassade und der erste Eindruck
Die Fassade des Châteaus war überwuchert von Efeu und Moos, als hätte die Natur beschlossen, es vollständig in ihre Arme zu schließen. Der einst imposante Turm, der das Anwesen krönte, war kaum noch sichtbar, und das Dach war an vielen Stellen eingebrochen. Die Fenster, die einst den Blick auf die prächtigen Salons freigaben, waren zerschlagen, und die Überreste des einst glänzenden Anstrichs hingen in Fetzen von den Wänden.
Beim Näherkommen spürte ich eine unerklärliche Kälte, obwohl es kein starker Wind war, der durch das Gelände fegte. Es war die Kühle eines Ortes, der seit Jahren verlassen war und den die Zeit nahezu unberührt gelassen hatte. Das Gefühl, an einem Ort zu sein, der einst voller Leben und Lachen war, nun aber nur noch von Stille und Verfall durchdrungen ist, war fast überwältigend.
Die Innenräume – Verfallene Pracht
Im Inneren des Châteaus bot sich ein Bild des Verfalls, das gleichermaßen beeindruckend wie traurig war. Besonders das Treppenhaus zog mich sofort in seinen Bann. Die einst prächtigen Stufen aus Holz waren morsch und gefährlich, doch sie zeugten noch von der früheren Pracht des Anwesens. Die Decken über dem Treppenhaus waren mit kunstvollen Fresken verziert, die sich nun mit dem Staub und Schmutz der Jahre vermischten. Nur an wenigen Stellen waren die farbenfrohen Muster noch erkennbar.
In den weitläufigen Salons und Fluren des Erdgeschosses fanden sich Überreste von Möbeln, zerbrochene Stühle und Tische, die von besseren Zeiten zeugten. Die Wandmalereien waren verblasst, aber noch immer erkennbar – sie zeigten Jagdszenen und ländliche Landschaften. Die Decken in diesen Räumen waren genauso reich verziert wie das Treppenhaus, und obwohl der Verfall sichtbar war, blieb die einstige Pracht des Châteaus spürbar.
Geräusche der Vergangenheit
Die Geräuschkulisse war fast gespenstisch. Der Wind, der durch die zerschlagenen Fenster pfiff, ließ die alten Vorhänge zittern, und das gelegentliche Tropfen von Wasser verstärkte das Gefühl der Einsamkeit. Hin und wieder knackten die Dielen unter meinen Schritten, als ob das Château selbst noch lebendig wäre, als ob es sich weigerte, vollständig zu vergehen.
Diese Geräusche, zusammen mit dem überwältigenden Eindruck des Verfalls, machten mir deutlich, dass dieser Ort einst voller Leben gewesen sein musste. Doch nun war nur noch die Erinnerung übrig – eine Erinnerung, die bald ganz verschwunden sein würde.
Was die Zukunft brachte: Das Ende des Château d’Ah
Es dauerte nicht lange nach meinem Besuch, bis das Château d’Ah endgültig verschwand. Im Jahr 2017 wurde es abgerissen, um Platz für ein modernes Neubaugebiet zu schaffen. Die Reste des einst prachtvollen Anwesens wurden dem Erdboden gleichgemacht, und an ihrer Stelle entstanden Wohnhäuser. Das Château, das einst ein Symbol für Reichtum und Wohlstand war, existiert heute nur noch in den Erinnerungen und auf Fotografien.
Der Abriss war unvermeidbar. Der Zustand des Châteaus war zu schlecht, um es zu retten. Es wäre zu teuer gewesen, es zu restaurieren. Doch mit seinem Verschwinden ging auch ein Stück Geschichte verloren, das nie wieder zurückgebracht werden kann.
Das Château d’Ah war mehr als nur ein Gebäude. Es war ein stiller Zeuge der Vergangenheit, ein Ort voller Erinnerungen und Geschichten. Mein Besuch im Spätsommer 2016 war ein Blick auf etwas, das bald verschwinden würde – und tatsächlich, nur wenige Monate später war das Château verschwunden. Doch seine Geschichte lebt weiter, in den Erzählungen derjenigen, die es noch in seinen letzten Momenten erleben konnten.
Heute stehen dort moderne Wohnhäuser, und das Château ist nichts weiter als eine verblassende Erinnerung. Doch die Eindrücke, die dieser verlassene Ort hinterließ, bleiben unvergessen – ein Denkmal für die Vergänglichkeit, für den unaufhaltsamen Lauf der Zeit und die Geschichten, die niemals vollständig verschwinden.
Historische Bilder zu Château d’Ah
Frisch ↔ Lange Verlassen
Einmal kurz durchwischen ↔ Morbider Charme
Vandalismus ↔ Natürlicher Verfall
Leere Räume ↔ Viel zu entdecken
Schöne Weitwinkelmotive
Detailaufnahmen
Außenaufnahmen
Persönliche Wertung
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