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Prypjat

Prypjat (ukrainisch Прип’ять, russisch Припять) ist heute eine Geisterstadt in der Oblast Kiew (Rajon Tschornobyl) in der Ukraine, die 1970 im Zusammenhang mit dem Bau des Kernkraftwerks Tschernobyl gegründet und infolge des Reaktorunglücks von 1986 geräumt wurde.
Die Stadt liegt am Fluss Prypjat und ist mit einer Entfernung von etwa vier Kilometern die dem Reaktor nächstgelegene Siedlung. Damit liegt Prypjat inmitten der unbewohnbaren 30-Kilometer-Zone um das Kraftwerk.

In Prypjat gibt es noch heute einen Rummelplatz mit Riesenrad und Autoscooter. Der Rummel sollte am 1. Mai 1986 eröffnet werden, wozu es wegen der Reaktorkatastrophe nicht mehr kam, da die Stadt am 27. April 1986 evakuiert wurde. Etwa einen Kilometer Luftlinie entfernt vom Volksfestplatz liegt eine Schwimmhalle.
In der Nähe des Reaktors existierte lange Zeit ein riesiger Schrottplatz, da nach den Aufräumarbeiten und dem Bau des Sarkophags hunderte Fahrzeuge (Lkw, Feuerwehrautos, Hubschrauber, Geländewagen) so stark kontaminiert waren, dass eine Weiterverwendung unmöglich war. Heute ist dieser Schrottplatz im Rahmen der Dekontamination aufgelöst, die Fahrzeuge wurden wegen ihrer hohen Radioaktivität jedoch bis heute nicht entsorgt. Viele Fahrzeuge sind jedoch im Laufe der Zeit von Plünderern ausgeschlachtet und einige sogar weggeschafft worden.

Prypjat wurde gerade mal 16 Jahre alt…

Prypjat wurde am 4. Februar 1970 gegründet. Die Stadt wurde als Wohnort für die Arbeiter des ersten Atomkraftwerks der Ukraine geplant – des Atomreaktors Tschernobyl, benannt nach der nahe gelegenen Kleinstadt Tschornobyl. Der Großteil der Bevölkerung bestand aus Arbeitern und deren Familien. Dadurch wuchs die Stadt schnell. Zum Zeitpunkt der Katastrophe war Prypjat eine relativ reiche und insbesondere junge Stadt – das Durchschnittsalter lag zum Zeitpunkt der Katastrophe bei ca. 26 Jahren.
Die Stadt besteht aus fünf Distrikten, die sich kreisförmig um das Stadtzentrum gruppieren. Die Fläche beträgt schätzungsweise 600 Hektar, auf denen sich 149 mehrgeschossige Gebäude befinden. Die ca. 13.500 Wohnungen umfassen eine Fläche von ungefähr 520.000 m². Ursprünglich sollte Prypjat parallel zum Ausbau des Atomkraftwerks – Block 5 und 6 waren bereits im Bau – auf bis zu 80.000 Einwohner anwachsen. Die Erweiterungsfläche nordöstlich der Stadt ist noch heute als unbewachsenes Feld sichtbar, auf dem nach dem Unfall Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wurden, um Winderosion des kontaminierten Bodens weitestgehend zu verhindern.

Aufgrund des schleppenden Informations- und Notfallmanagements wurde Prypjat erst 36 Stunden nach dem Reaktorunfall evakuiert. Dadurch wurden viele Anwohner einer hohen Strahlung ausgesetzt, und viele litten an Spätfolgen. So wurde gegen Mittag des 27. April eine kurze Radionachricht gesendet, in der die Bevölkerung aufgefordert wurde, sich auf eine dreitägige Abwesenheit einzurichten. Die Evakuierung erfolgte ab 14 Uhr und wurde mit ca. 1.200 Bussen innerhalb von zweieinhalb Stunden durchgeführt.
Durch den Unfall wurde Prypjat mehrmals und durch unterschiedliche radioaktive Stoffe kontaminiert. Dank günstiger Winde fand die stärkste Kontaminierung der Stadt durch radioaktive Niederschläge jedoch erst nach der Evakuierung – zwischen dem 27. und 29. April – statt.
Dekontaminierungsaktivitäten wurden überall in der Stadt durchgeführt, wobei die ausführlichsten Arbeiten im Stadtzentrum stattfanden. Die Arbeiten wurden in verschiedenen Phasen unternommen und reduzierten die durchschnittliche radioaktive Belastung nach und nach merkbar auf ein erträgliches Niveau.

Da die Bewohner in dem Glauben gelassen wurden, bald wieder nach Hause zu können, stehen viele Gebäude noch im Originalzustand. Allerdings kam es im Laufe der Zeit zu Vandalismus und Plünderungen.
Man kann davon ausgehen, dass die meisten Plünderungen in Pripjat ab 1998 stattgefunden haben. Erst dann, als die letzten noch halbwegs am Leben erhaltenen und bewachten Objekte der Stadt aufgegeben wurden, begann der Anfang vom Ende. Die Ukraine durchlebte seit der Katastrophe mehrere politische und gesellschaftliche Umbrüche, das alles wirkte sich auf den Zustand der Stadt und der Sperrzone insgesamt aus. Auch Zeiten der Gesetzlosigkeit in den früheren 90ern haben in der Stadt eine deutliche Spur hinterlassen. Die hohen Schrottpreise sorgen nach wie vor für das Verschwinden der Heizkörper und Treppengeländer in den meisten Wohnhäusern von Pripjat und Umgebung. Wer hinter diesen Machenschaften steckt ist schwer zu sagen. Einerseits können Arbeiten dieser Art nur unter dem Schutz des Staates durchgeführt werden, andererseits werden hin und wieder Fälle wie dieser und noch grösseren Ausmasses aufgedeckt. Mal sind es einfache Kriminelle, ein anderes Mal korrupte Polizisten, die mit den Schrottjägern oder “Metallisten” wie man sie hier nennt, zusammen unter einer Decke stecken… Die einzige Ampel in Pripjat hat es zum Glück, bis in die heutigen Zeiten geschafft. Nein, sie diente nicht ihrem eigentlichen Zweck – den Verkehr zu steuern, denn er war trotz der relativ hohen Anzahl der Privatfahrzeuge in Pripjat eher mäßig. Sie funktionierte rein symbolisch, um den Kindern und Grundschülern die elementarsten Verkehrsregeln nahe zu bringen…

Vor dem Hintergrund des sich verstärkenden Interesses stellt sich die Frage, wie weiter mit der Stadt umgegangen werden soll. Denn einerseits wird die Region aufgrund der Kontaminierung mit radioaktivem Material auf unbestimmte Zeit unbewohnbar bleiben – andererseits ist der Ort zum Sinnbild der Anti-Atomkraft-Bewegung geworden und stellt damit ein Mahnmal dar, das vor allem die Denkmalpflege vor interessante Diskussionen stellt. Es gibt Stimmen für die Aufnahme der Stadt in die Welterbeliste der UNESCO.

Frisch ↔ Lange Verlassen
Einmal kurz durchwischen ↔ Morbider Charme
Vandalismus ↔ Natürlicher Verfall
Leere Räume ↔ Viel zu entdecken
Schöne Weitwinkelmotive
Detailaufnahmen
Außenaufnahmen
Persönliche Wertung

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Roman Reed

Seit 2002 widmet er sich der urbanen Erkundung, indem er unbekannte Orte aufspürt, die oft im Verborgenen liegen, obwohl sie mitten unter uns sind. Seine Entdeckungen hält er fotografisch fest und bereichert sie in seinem Blog mit ausführlichen Recherchen und Texten. Neben seinem Interesse für das Urbexing engagiert er sich auch im Schreiben von Geschichten und Büchern sowie im detailreichen Modellbau.

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