Wenn die vier Wände zu viel werden, führt der Weg hinaus in die Stadt. Eine Tour durch Wuppertal in Zeiten der Corona-Pandemie.
Es gibt Momente, in denen die eigene Wohnung plötzlich zu eng, zu klein, zu bedrückend wird. Besonders während der Corona-Pandemie, als das Leben sich auf wenige Quadratmeter beschränkte und die Straßen wie ausgestorben wirkten. Der 5. April 2020 war ein solcher Moment. In einer Welt, die stillstand, entschieden wir uns, die uns vertraute Stadt Wuppertal mit neuen Augen zu erkunden. Es war keine gewöhnliche Erkundungstour, sondern eine, die uns tief in die Geschichte und das Wesen dieser einzigartigen Stadt eintauchen ließ.
Es war ein kühler, aber sonniger Sonntag im April. Die Luft war klar, und obwohl die Sonne schien, lag eine spürbare Stille über der Stadt. Meine Freundin hatte heimlich eine kleine Flucht aus der Enge unserer Wohnung geplant, und als mein Kumpel plötzlich vor der Tür stand, war die Entscheidung schnell gefallen: Wir würden uns an diesem Tag Wuppertal mit all seinen Facetten vornehmen – regelkonform und zu zweit, aber mit einem offenen Blick für die Geschichten, die sich hinter den Fassaden und auf den leeren Straßen verbargen.
Unser erster Halt führte uns zur Schwebebahnstation Pestalozzistraße. Diese Station, die früher den Namen „Schillerbrücke“ trug, liegt am Rande des Wohnviertels Arrenberg und ist ein markanter Punkt im Stadtbild. Die umliegenden Gebäude, viele davon aus der Gründerzeit, stehen hier dicht gedrängt und erinnern an die Zeiten, als Wuppertal als Industrieknotenpunkt florierte. Die Pestalozzistraße, die einst das pulsierende Herzstück des Viertels war, wirkte an diesem Tag fast verlassen. Die majestätischen Fassaden der Häuser, die in der Stille noch beeindruckender wirkten, erinnerten an die glorreichen Zeiten, in denen Wuppertal eine bedeutende Industriestadt war. Das erste Bild zeigt die prächtigen Häuserfronten und gibt einen Eindruck davon, wie es sich anfühlte, durch diese stille, aber eindrucksvolle Straße zu schlendern.
Nicht weit entfernt entdeckten wir einen kleinen Kiosk, der ein perfektes Beispiel dafür war, wie sehr sich das Viertel verändert hat und gleichzeitig an seiner Vergangenheit festhält. Dieser Kiosk, direkt an der Pestalozzistraße gelegen, strahlte den Charme vergangener Tage aus und erinnerte uns an eine Zeit, in der solche kleinen Geschäfte das Rückgrat des städtischen Lebens bildeten. Das dritte Foto zeigt diesen Kiosk, der uns an diesem Tag an die Normalität erinnerte, die so weit weg zu sein schien.
Von hier aus ging es weiter über die Friedrich-Ebert-Straße, die das Viertel Arrenberg durchzieht und zugleich eine der wichtigsten Verkehrsachsen der Stadt darstellt. Diese Straße, normalerweise eine belebte Hauptverkehrsader, war an diesem Tag fast menschenleer. Normalerweise pulsiert hier das Leben, doch heute vermittelte sie ein Gefühl von Stillstand und Ruhe. Die Leere, die auf der Friedrich-Ebert-Straße herrschte, erlaubte es uns, Details wahrzunehmen, die uns sonst entgangen wären.
Unser ursprüngliches Ziel war die Jakobstreppe, auch bekannt als Himmelsleiter, die mit ihren 155 Stufen eine direkte Verbindung vom unteren Teil des Viertels zur Nützenberger Straße herstellt. Doch zu unserer Enttäuschung mussten wir feststellen, dass die Treppe aufgrund von Baufälligkeit gesperrt war. Diese Treppe, die 1887 erbaut wurde und heute als Baudenkmal gilt, war schon immer ein Symbol für den Aufstieg und die Mühsal, die das Leben in den steilen Hügeln Wuppertals mit sich bringt. Das vierte Bild zeigt die abgesperrte Treppe – ein stummer Zeuge der Herausforderungen, die auch eine Stadt wie Wuppertal immer wieder meistern muss.
Da die Jakobstreppe für uns nicht zugänglich war, entschieden wir uns, über die Treppenstraße zur Nützenberger Straße hinaufzusteigen. Die Treppenstraße, wie viele andere in Wuppertal, führt steil hinauf und bietet einen atemberaubenden Blick auf das Tal. Der Weg nach oben war anstrengend, aber der Blick auf die Stadt und das Viertel belohnte uns für die Mühen. Es war eine Reise durch die Geschichte, als wir an den alten Häusern vorbeigingen, die von den Höhen und Tiefen der Stadt erzählten.
Unsere Erkundungstour endete schließlich am Robert-Daum-Platz, einer weiteren wichtigen Station auf unserer Route. Hier, inmitten des sonst so belebten Platzes, thronte die Schwebebahn, die sich majestätisch über die Wupper schwang. Diese ikonische Bahn, die seit ihrer Inbetriebnahme im Jahr 1901 ein Symbol für Wuppertal ist, schwebte heute fast gespenstisch ruhig über den Fluss. Die Schwebebahn war Zeuge zahlreicher Veränderungen in der Stadt und stand auch an diesem Tag als Symbol für Beständigkeit und Wandel zugleich. Auf dem sechsten Bild sieht man die Schwebebahn in ihrer ganzen Pracht – ein Sinnbild für die Beständigkeit, die uns durch diese ungewöhnlichen Zeiten trug.
Wuppertal ist eine Stadt, die von ihrer Geschichte und ihrer Industrie geprägt ist. Gegründet durch den Zusammenschluss mehrerer Städte im Jahr 1929, hat sich Wuppertal im Laufe der Jahre zu einem Zentrum der Industrie und Kultur entwickelt. Besonders das Arrenberg-Viertel, das wir an diesem Tag erkundeten, ist ein Spiegelbild dieser Entwicklung.
Der Arrenberg wurde erstmals 1345 urkundlich erwähnt und hat seitdem zahlreiche Wandlungen durchlaufen. Im 19. Jahrhundert, als die Industrialisierung in vollem Gange war, entwickelte sich der Arrenberg zu einer industriell geprägten Vorstadt. Die Gründerzeitbauten, die wir heute noch bewundern können, sind Zeugen dieser Zeit, in der Wuppertal zu einem bedeutenden Standort für Textilproduktion und Maschinenbau wurde. Die prächtigen Villen der Fabrikanten und die Arbeiterhäuser erzählen von einer Zeit, in der die Stadt blühte und wuchs.
Die Umbenennung der Schillerstraße in Pestalozzistraße im Jahr 1935 war Teil einer umfassenden Neustrukturierung der Stadt, die ihre Spuren bis heute hinterlassen hat. Die Straße, die einst nach dem berühmten Dichter Friedrich Schiller benannt war, wurde nach dem Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi umbenannt, der für seine Reformen im Bildungswesen bekannt ist. Diese Namensänderung spiegelt den Wandel der Stadt wider, die sich im Laufe der Jahre von einer Industriemetropole zu einer modernen Großstadt entwickelt hat.
Ein weiteres Highlight unserer Tour war die Vogelsauer Treppe, die wir erklommen haben. Diese Treppe, die auch als Jakobstreppe bekannt ist, erhielt ihren Namen nach Jakob Wilhelm Haarhaus, dem Eigentümer des Nützenbergs. Die Treppe wurde am 26. April 1887 offiziell benannt und gilt heute als Baudenkmal. Im Laufe der Jahre war sie zahlreichen Witterungseinflüssen ausgesetzt, was zu erheblichen Schäden führte. Seit 2009 steht die Treppe unter Denkmalschutz, und es wurden mehrere Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, um sie zu erhalten. Die Vogelsauer Treppe ist ein Symbol für die Geschichte und die Widerstandsfähigkeit der Stadt, die auch in schwierigen Zeiten ihre historischen Schätze bewahrt.
Der Nützenberg, der sich nördlich der Wupper erhebt, ist eine der markantesten Erhebungen in Wuppertal. Mit einer Höhe von 259,3 Metern überragt er die Stadt und bietet einen atemberaubenden Ausblick auf das Tal der Wupper. Der Nützenberg war schon immer ein bedeutender Ort in Wuppertal. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Höhlen, die sich an den Hängen des Nützenbergs befinden, als Bunker genutzt. Heute sind diese Höhlen zwar nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich, aber sie erinnern an die dunklen Kapitel der Stadtgeschichte.
Die Schwebebahn, die wir am Ende unserer Tour bestaunten, ist das wohl bekannteste Wahrzeichen Wuppertals. Seit ihrer Inbetriebnahme im Jahr 1901 ist sie ein Symbol für die Innovationskraft und den technischen Fortschritt der Stadt. Die Schwebebahn hat zahlreiche Höhen und Tiefen durchlebt, darunter auch den schweren Unfall am 12. April 1999, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen und 47 weitere verletzt wurden. Eine Gedenktafel in der Station Robert-Daum-Platz erinnert an dieses tragische Ereignis. Trotz dieses Unglücks bleibt die Schwebebahn ein Symbol für die unerschütterliche Widerstandskraft der Stadt und ihrer Bewohner.
Die Friedrich-Ebert-Straße, die das Viertel Arrenberg durchzieht, hat sich im Laufe der Jahre zu einer der wichtigsten Verkehrsadern Wuppertals entwickelt. Ursprünglich Teil der Bundesstraße 7, wurde sie im Zuge der Neustrukturierung des Stadtverkehrs zur Hauptverkehrsstraße ausgebaut. Die Straße verbindet das Zentrum von Wuppertal mit den westlichen Stadtteilen und ist ein wichtiger Knotenpunkt für den öffentlichen Nahverkehr. Heute ist die Friedrich-Ebert-Straße ein Spiegelbild der modernen Stadtentwicklung – eine Mischung aus historischer Architektur und modernen Verkehrswegen.
Die COVID-19 Koller Tour war für uns mehr als nur ein Spaziergang durch Wuppertal – sie war eine Reise in die Vergangenheit und zugleich ein Blick in die Zukunft. In einer Zeit, in der das Leben stillstand, bot uns die Stadt einen unverstellten Blick auf ihre Geschichte, ihre Schönheit und ihre Widerstandsfähigkeit. Die leeren Straßen, die alten Gebäude und die stillen Zeugen der Geschichte erinnerten uns daran, dass Beständigkeit und Wandel in Wuppertal Hand in Hand gehen.
Diese Tour hat uns gezeigt, dass es oft die einfachen Dinge sind, die uns in schwierigen Zeiten Halt geben. Ein Spaziergang durch bekannte Straßen, ein Blick auf die Schwebebahn, das Rauschen der Wupper – all das erinnert uns daran, dass das Leben weitergeht, auch wenn die Welt um uns herum stillzustehen scheint. Wuppertal hat viel zu bieten – man muss nur genau hinsehen, um die Geschichten zu entdecken, die diese Stadt zu erzählen hat.
In diesem Sinne hoffe ich, dass dieser kleine Einblick in meine Erlebnisse während der COVID-19-Pandemie auch dich inspiriert, deine Stadt mit neuen Augen zu sehen. Wuppertal ist eine Stadt voller Geschichten, und jede Ecke hat etwas zu erzählen. Vielleicht wirst auch du eines Tages auf eine ähnliche Erkundungstour gehen und Wuppertal in einem neuen Licht entdecken.
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