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U-Verlagerung Meise 1 / Schwelmer Tunnel

Heute ist der Schwelmer Tunnel nur noch zur Hälft in Betrieb.

Irgendwie bekomme ich öfters das Gefühl, als zöge es mich an Wochenenden grundsätzlich an den A…. der Welt. Naja, jedenfalls stand nach langem mal wieder was unterirdisches auf der Karte und so ging es bei wackeligem, aber dennoch trockenem Wetter los in die Wildnis. Nach einer etwas komplizierten Kraxelei nach unten, war dann auch endlich das Portal in Sicht. Wie sich natürlich hinterher rausstellte, hätte man sich über eine betonierte Treppe das ganze Theater bequem sparen können… Naja, wer nicht gründlich recherchiert wird eben bestraft… 🙂

Die Untertage – Verlagerung mit dem Decknamen „Meise“ (oder auch „Meise 1“) befand sich in einem Reichsbahntunnel bei Schwelm im Bergischen Land. Genauer gesagt waren, beziehungsweise sind es zwei Tunnel, die parallel durch den Linderhausener Berg führen. Die beiden Eisenbahntunnel stehen im standfesten Gebirge, welches sich überwiegend aus Grauwacken und Kalksteinschichten zusammensetzt. Die Überdeckung im mittleren Tunnelbereich ist mit über 60 Metern mehr als ausreichend für eine bombensichere Produktionsstätte. Besonders deutlich wird die Kalksteinschicht am Südportal des westlichen Tunnels. Dort befindet sich in der ersten Ausweichbucht (AB) das Mundloch der Schwelmer Tunnelhöhle, einer kleinen Wasserführenden Naturhöhle (Ponorhöhle), welche zufällig beim Tunnelbau angeschnitten worden ist. In dem Östlichen Tunnel befindet sich ebenfalls eine kleine Höhle, die auf den Namen „Lehmhöhle“ hört.

Der östliche Tunnel (Linderhausener Tunnel) hat eine Länge von 935 Metern und beherbergte das Herzstück, die eigentliche Produktionsstätte der Anlage „Meise“. Der westliche Tunnel (Schwelmer Tunnel) ist etwas kürzer (742 Meter) und diente der als Bahnhof für die Arbeiter und als bombensichere Verladestation für das Material und die Flugzeuge. Der Umbau des Reichsbahntunnels zur unterirdischen Rüstungsfabrik begann im Sommer 1944. Das Projekt „Meise 1“ gehörte zum Jägerstab und war ein sogenanntes A-Projekt. Der Jägerstab war für die bombensichere Unterbringung von Flugzeugfabriken zuständig und ein „A-Projekt“ war die Untertage – Verlagerung in ein schon bestehenden unterirdischen Hohlraum, wie zum Beispiel Bergbaustollen, Bunker und eben Reichsbahntunnel. Oberaufsicht und Leitung des Projektes „Meise 1“ hatte wie bei fast allen U – Verlagerungen die Organisation Todt (OT), welche die Planung übernahm und die Arbeitskräfte kümmerte, die die Umbauarbeiten durchführen mussten. Die Gleise und das Schotterbett wurden entfernt, der Boden wurden betoniert damit die Maschinen einen sicheren und festen Stand hatten. Unter der Firste wurde über die gesamte Länge des Tunnels ein Schwerlastkran installiert, an dem die Flugzeuge und Teile wie am Fließband zu den einzelnen Stationen im Tunnel gebracht werden konnten. Außerdem wurden die an der Tunnelwand liegenden Wasserrinnen verrohrt und an beiden Enden des Reichsbahntunnels ein Gebläse zur Bewetterung der U-Fabrik errichtet.

Die Firma Gottlob Espenlaub aus Wuppertal-Langerfeld bezog noch während der Umbauarbeiten den Tunnel und begann am 23.10.1944 mit dem Betrieb in diesem, neuen bombensicheren Ausweichwerk. Die Tunnelportale wurden übrigens nicht wie üblich zugemauert. Die interne Bezeichnung für die U – Verlagerung „Meise“ in der Flugzeugbaufirma Espenlaub war „Werk 4“ oder „Ausweichwerk 1“. Die Firma Espenlaub Flugzeugbau war neben den Firmen Homann, Vorwerk, Jäger und I.G.Farben eine der grössten Rüstungsbetriebe in Wuppertal mit drei oberirdischen Werken und ebenfalls drei unterirdischen Produktionsstätten:

Etwa 1000 Arbeiter arbeiteten im Schnitt im „Ausweichwerk 1“. Gegen Ende des Krieges stieg die Zahl sogar auf 2000 Arbeiter, welche in gleichen Teilen aus Mitarbeiter der Firma Espenlaub und Zwangsarbeitern bestand. Rund 100 Flugzeuge, hauptsächlich vom Typ Focke-Wulf (Fw190) wurden pro Monat in „Meise 1“ repariert oder ausgebessert. Die Arbeiter wurden jeden Morgen mit dem Zug von den Baracken in Wuppertal-Langerfeld zur Untertage-Verlagerung gebracht. Auch die Mittagspause wurde geschützt vor Bomben im Tunnel abgehalten. Der Betrieb hielt noch bis zum Ende des Krieges an, bevor die Amerikaner die Stadt Schwelm erreichten und dem Treiben ein Ende setzten.

Heute erinnert nur noch wenig an das einstige Treiben in den Tunneln. Beide Tunnel wurden nach dem Krieg wieder für den Eisenbahnverkehr hergerichtet und genutzt, wobei der Schwelmer Tunnel heutzutage wieder stillgelegt ist. Durch den Linderhausener Tunnel fährt heute noch die S8 nach Hagen, was die Befahrung zur einer gefährlichen Angelegenheit macht.

Frisch ↔ Lange Verlassen
Einmal kurz durchwischen ↔ Morbider Charme
Vandalismus ↔ Natürlicher Verfall
Leere Räume ↔ Viel zu entdecken
Schöne Weitwinkelmotive
Detailaufnahmen
Außenaufnahmen
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Rico Mark Rüde

Seit 2002 widmet er sich der urbanen Erkundung, indem er unbekannte Orte aufspürt, die oft im Verborgenen liegen, obwohl sie mitten unter uns sind. Seine Entdeckungen hält er fotografisch fest und bereichert sie in seinem Blog mit ausführlichen Recherchen und Texten. Neben seinem Interesse für das Urbexing engagiert er sich auch im Schreiben von Geschichten und Büchern sowie im detailreichen Modellbau.

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