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Bergarbeitersiedlung Schlägel & Eisen

Genau wie Hermes dürfte es hier auch nur wenige Urbexer geben, welche diesen Ort nicht kennen, oder schon einmal hier gewesen sind. Wenn man im inneren der Siedlung auf der Wiese steht, kann man fast vergessen, dass außerhalb dieser Mauern noch der geschäftige Alltag vor sich hergeht und man bekommt doch ein wenig diese „Endzeitstimmung“ ab, welche diesen Ort umhüllt. Haus an Haus verlassen, in den meisten Fällen erinnern nur die rechteckigen Löcher in der Hauswand an die Fenster, durch die einst morgens mit dem Kaffee in der Hand geblickt wurde, um danach zur Arbeit zu fahren. Seit gut 20 Jahren sich selbst überlassen, wächst die Zahl der Ruinen. Eine Immobilienfirma wollte sich nun der maroden Bausubstanz annehmen, doch scheinbar machten ihr die Geister der Vergangenheit einen Strich durch die Rechnung. Denn angeblich spukt es in der ehemaligen Bergarbeitersiedlung…

1908 wurde die dortige Zeche abgeteuft. Das Gebiet war zu der Zeit noch überwiegend landwirtschaftlich geprägt, bäuerliche Siedlungen bestimmten das Aussehen. Ab 1912 begann die Zeche nennenswerte Mengen zu fördern, bis 1914 standen große Teile der Zeche.
Für die Belegschaft wurde daraufhin die „Kolonie“ erbaut. Schon Zeitgenossen bewunderte die Anlage mit ihren großzügigen Grünflächen, Baumbestand und abwechslungsreicher Architektur.

Schlägel & Eisen entsteht vor dem 1. Weltkrieg

Die sogenannte „Schlägel und Eisen-Siedlung“ wurde 1913 von einer privaten Baugesellschaft ins Leben gerufen. Es waren 600 Wohnungen geplant, deren Bau aber durch den 1. Weltkrieg nicht vollständig durchgeführt wurde. 1920 kaufte der Staat diese Wohnungen auf. Im selben Jahr errichte die Stadt, die sich nach Kriegsende des Wohnungsbaus angenommen hatte, 30 Bergarbeiterwohnungen. Insgesamt entstanden bis 1925 nicht nur 1054 stadteigene Wohnungen im Stadtgebiet, auch neue Straßen und Viertel erweiterten das Bild.

Die Häuser der Siedlung gruppieren sich innerhalb von drei Straßenzügen und umfassen ein Rechteck mit nordwestlich abgerundetem Straßenverlauf. Die Anlage der meist zweigeschossigen Putzbauten mit Walm- und Krüppelwalmdächern wirkt bewusst „malerisch“, der Torbogen zur „vorderen“ Straße weckt Erinnerungen an eine Kleinstadtidylle. Im weiträumigen, nach Parzellen eingeteilten Innenbereich befanden sich Gärten und Stallungen, hier wurden Hühner, Tauben, Kaninchen und Meerschweinchen gehalten. Auch diese kleinbäuerliche Lebensform war ein typisches Merkmal der Zechensiedlungen im Ruhrgebiet.

Nachdem die Zeche die Förderung 1963 eingestellt hatte, begann auch im Umkreis das Zechensterben. Der jetzige Zustand der „Schlägel und Eisen-Siedlung“ geht auf eine rund 15 Jahre andauernde Abwanderung und Vernachlässigung zurück. Die letzten beiden Mieter verließen im Januar 2013 ihre Wohnungen. Durch die Berichterstattung der lokalen Medien in ein entsprechendes Licht gerückt, macht sich ein regelrechter Tourismus bemerkbar. Neben ansässigen Neugierigen sind es Abenteuerlustige und selbsternannte Geisterjäger, deren Erwartungen sich an die Ruinen knüpfen. Bereits seit 2012 ist die Siedlung Thema auf allmystery, dem dienstältesten Internet-Forum für Übersinnliches.

2013 verkündete die WAZ, dass eine Immobilienfirma „Schlägel und Eisen“ gekauft hat. Die ambitioniert auftretende Firma aus Marl plante, die insgesamt 29 Häuser mit 146 Wohnungen zu sanieren und umzuwandeln. Zwei Häuser sollten abgerissen werden. Doch viel passiert ist seitdem nicht…
Teilweise sind die Dächer, zumindest die der alten Stallungen, eingebrochen. Ein Gebäude wurde teilweise saniert, es wurden neue Fenster eingesetzt und ein neuer Dachstuhl aufgesetzt, letzterer allerdings ohne Dach. Da bringen dann auch die neuen Fenster nichts.
Doch scheinbar wird es das auch erstmal wieder gewesen sein, da laut lokaler Presse wieder ein Insolvenzverfahren läuft.

Also bleibt „Schlägel und Eisen“ das, was es schon seit fast 20 Jahren ist: Ein Stück vergessener Industriegeschichte.
Nicht mehr, aber auch nicht weniger…

Frisch ↔ Lange Verlassen
Einmal kurz durchwischen ↔ Morbider Charme
Vandalismus ↔ Natürlicher Verfall
Leere Räume ↔ Viel zu entdecken
Schöne Weitwinkelmotive
Detailaufnahmen
Außenaufnahmen
Persönliche Wertung

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Rico Mark Rüde

Seit 2002 widmet er sich der urbanen Erkundung, indem er unbekannte Orte aufspürt, die oft im Verborgenen liegen, obwohl sie mitten unter uns sind. Seine Entdeckungen hält er fotografisch fest und bereichert sie in seinem Blog mit ausführlichen Recherchen und Texten. Neben seinem Interesse für das Urbexing engagiert er sich auch im Schreiben von Geschichten und Büchern sowie im detailreichen Modellbau.

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