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🇧🇪 Maison Boon

Ein altes Bauernhaus, tief in der belgischen Provinz, erzählt Geschichten vergangener Zeiten.

Hast du jemals einen Ort betreten, der sofort den Atem anhält? Ein Ort, an dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint und jeder Schritt ein Echo der Vergangenheit widerhallt? Genau so ein Ort ist das „Maison Boon“, ein verlassener Bauernhof inmitten der flämischen Landschaft. Hier, wo die Natur langsam Besitz von den Bauwerken ergreift, scheint die Geschichte in den stillen Räumen weiterzuleben.


Am 5. Juni 2017 machte ich mich auf den Weg zu diesem geheimnisvollen Ort. Die Sonne stand hoch am Himmel, doch als ich das Grundstück betrat, lag eine bedrückende Stille über dem Hof. Der erste Eindruck war überwältigend: Überwucherte Wege, verlassene Fahrräder, und ein verwittertes Gebäude, das wie eine Zeitkapsel wirkte. Schon von außen war klar, dass dieses Haus mehr als nur eine verlassene Hülle war – es war ein Zeugnis vergangener Lebensweisen.

Der Geruch, der mir beim Betreten des Hauses entgegenschlug, war unverkennbar: Eine Mischung aus Verfall und etwas, das ich zunächst nicht genau zuordnen konnte. Später sollte sich herausstellen, dass eine alte Gefriertruhe, gefüllt mit verwestem Fleisch, der Ursprung dieses beunruhigenden Aromas war. Offenbar hatte jemand nicht widerstehen können, sie zu öffnen, und das Ergebnis war ein schauriges Relikt der Vergangenheit.

Der Innenraum: Eine Zeitkapsel

Im Inneren des Hauses war die Luft schwer und stickig, doch die Atmosphäre war faszinierend. Es war, als wäre die Zeit hier stehen geblieben. Die Möbel, die Wände, die Teppiche – alles schien unverändert, seitdem die letzten Bewohner das Haus verlassen hatten. Besonders auffällig waren die kurz geschnittenen Betten, die vermutlich aus einer Zeit stammten, als die Menschen noch kleiner gewachsen waren.

Ein Bild aus der Zeit, die Möbel sorgfältig aufgereiht, als würden die Bewohner jeden Moment zurückkehren. Der Esstisch war gedeckt, als ob das Frühstück nur kurz unterbrochen worden wäre. Staub und Spinnweben hatten sich auf alles gelegt, und doch wirkte der Raum nicht verlassen, sondern nur auf die Rückkehr seiner Bewohner wartend.

In einem der Schlafzimmer entdeckte ich eine Szene, die mich innehalten ließ: Ein alter, abgetragener Mantel hing noch immer an einem Kleiderhaken, daneben ein Paar Schuhe, die darauf warteten, getragen zu werden. Es war, als hätten die Bewohner das Haus nur für einen kurzen Moment verlassen und nie wieder zurückgefunden.

Die Geschichte von Maison Boon

Das „Maison Boon“ hat eine düstere und zugleich faszinierende Geschichte. Es ist nicht genau bekannt, wann die letzten Bewohner das Haus verlassen haben, aber die Geschichten, die sich um den Ort ranken, sind zahlreich. Eine Legende besagt, dass der ehemalige Besitzer, Herr Boon, seine Frau so sehr liebte, dass er ihren Leichnam nach ihrem Tod in der Gefriertruhe aufbewahrte. Als schließlich nach seinem Tod der Strom ausfiel, soll der Geruch des verwesenden Körpers die Nachbarn alarmiert haben. Ob diese Geschichte wahr ist oder nur eine makabre Legende, bleibt ungewiss.

Doch es gibt auch weniger gruselige, aber ebenso interessante Geschichten über das Haus. So soll es eines der ersten Bauernhäuser in der Region gewesen sein, das über einen modernen Herd verfügte. Der alte Ofen, der noch heute im Wohnzimmer steht, zeugt von dieser Zeit des Wandels. Auch die kurzen Betten, die überall im Haus zu finden sind, sprechen von einer Zeit, in der Komfort anders definiert wurde als heute.

Das Haus selbst ist ein typisches Beispiel für die ländliche Architektur Flanderns. Dicke Mauern, kleine Fenster und eine praktische, aber charmante Einrichtung zeichnen die Räume aus. Doch trotz seiner Einfachheit hatte das „Maison Boon“ seinen eigenen Charme, der bis heute erhalten geblieben ist.


Als Urban Explorer zieht mich vor allem die Möglichkeit, in eine andere Zeit einzutauchen, an Orte zu gelangen, die längst vergessen sind. „Maison Boon“ war in dieser Hinsicht eine außergewöhnliche Erfahrung. Der Ort vermittelt nicht nur ein Gefühl der Vergangenheit, sondern lässt den Besucher fast physisch spüren, wie die Zeit hier stehen geblieben ist. Es ist, als ob das Haus ein stiller Zeuge der Geschichte wäre, das stumm auf seine Entdeckung wartet.

Der Zustand des Hauses, die alten Möbel und die Atmosphäre machten es zu einem meiner unvergesslichsten Erlebnisse. Hier spürt man den Hauch des Lebens, das einst in diesen Räumen herrschte, und zugleich die Stille des Verfalls. Es ist dieser Kontrast, der das Urban Exploring so faszinierend macht – die Mischung aus Vergänglichkeit und Beständigkeit, aus Leben und Tod, aus Vergangenheit und Gegenwart.

Besonders die Geschichte um die Gefriertruhe hat mich nachdenklich gestimmt. Ob es nun eine makabre Legende ist oder nicht, sie erinnert daran, dass diese Orte mehr als nur verlassene Gebäude sind. Sie sind Zeugen menschlicher Geschichten, voller Leben und Schicksale, die mit der Zeit in Vergessenheit geraten.


„Maison Boon“ ist mehr als nur ein verlassener Bauernhof. Es ist ein Ort voller Geschichte, ein stiller Zeuge der Vergangenheit, der den Besucher auf eine Reise in eine andere Zeit mitnimmt. Die Räume, die Gegenstände, die Geschichten – alles hier erzählt von einem Leben, das längst vergangen ist, aber doch irgendwie weiterlebt.

Wenn du einmal die Gelegenheit hast, einen solchen Ort zu besuchen, solltest du es tun. Es ist eine einzigartige Erfahrung, die dich nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die tiefen Schichten deiner eigenen Gedanken und Gefühle entführt. „Maison Boon“ ist ein Beispiel dafür, wie Urban Exploring mehr sein kann als nur das Betreten verlassener Gebäude – es ist eine Reise zu den Wurzeln unserer eigenen Geschichte.

Frisch ↔ Lange Verlassen
Einmal kurz durchwischen ↔ Morbider Charme
Vandalismus ↔ Natürlicher Verfall
Leere Räume ↔ Viel zu entdecken
Schöne Weitwinkelmotive
Detailaufnahmen
Außenaufnahmen
Persönliche Wertung

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Quellen
Urbex WetterauDie verlassenen OrteFlo Döhmer FotografieMichael Berndrothraymsfotosite.nlUrbex Vision

Roman Reed

Seit 2002 widmet er sich der urbanen Erkundung, indem er unbekannte Orte aufspürt, die oft im Verborgenen liegen, obwohl sie mitten unter uns sind. Seine Entdeckungen hält er fotografisch fest und bereichert sie in seinem Blog mit ausführlichen Recherchen und Texten. Neben seinem Interesse für das Urbexing engagiert er sich auch im Schreiben von Geschichten und Büchern sowie im detailreichen Modellbau.

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