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🇧🇪 Preventorium Dolhain

Ein verlassener Ort am Scheideweg zwischen Verfall und Zukunft.

Verlassene Orte haben etwas Magisches. Sie sind still, geheimnisvoll und erzählen Geschichten von einer Zeit, die längst vergangen ist. Das Preventorium Dolhain in der ländlichen Region der Provinz Lüttich ist einer dieser Orte. Einst als Tuberkulose-Sanatorium für Kinder und Jugendliche konzipiert, steht das Gebäude heute verlassen da, umgeben von der Natur, die sich ihren Raum zurückerobert. Doch trotz des Verfalls gibt es Hoffnung auf einen neuen Anfang.

Es war ein Sommertag, der mit einer Reihe von Erkundungen begann. Nachdem ich bereits mehrere verlassene Locations besucht hatte, führte mich mein Weg schließlich hierher. Die Sonne stand hoch am Himmel, der Tag war warm, und ab und zu schob sich eine Wolke vorbei. Perfekte Bedingungen für die Erkundung dieses vergessenen Ortes.


Als ich ankam, war ich von der Ruhe des Ortes beeindruckt. Das Preventorium Dolhain wirkte wie ein Ort, der in der Zeit gefangen war. Die Außenwände des Gebäudes waren von der Natur gezeichnet, die einst hellgelben Mauern hatten sich in ein verblasstes Beige verwandelt, und überall rankten Pflanzen und Efeu die Fassade hinauf. Vor dem Haupteingang parkte ein Symbol dieser vergangenen Tage – der Renault-Feuerwehrwagen.

Dieses Relikt aus den 1950er Jahren stand dort wie ein stummer Zeuge der Vergangenheit. Der einst leuchtend rote Lack war fast vollständig verblasst und mit Rostflecken übersät, aber die markante Form des Feuerwehrwagens war unverkennbar. Seine hydraulische Leiter, die einst schnell einsatzbereit war, ragte schräg in die Höhe, als ob sie noch immer auf den nächsten Notruf wartete. Es war faszinierend, wie die Natur sich das Fahrzeug Stück für Stück zurückholte: Gras wuchs aus den Radkästen, und ein paar Pflanzen hatten sich bereits in den Sitzpolstern eingenistet. Technisch betrachtet war der Wagen für seine Zeit hochmodern – eine stabile Konstruktion, die für schnelles Eingreifen im Brandfall ausgelegt war. Heute ist er nur noch ein Fotoobjekt für Urbexer, ein Symbol für die Vergänglichkeit von Zeit und Technik.

Während ich um den Wagen herumging und ihn aus verschiedenen Winkeln betrachtete, fragte ich mich, wie oft er wohl tatsächlich im Einsatz gewesen war. War das Gebäude jemals von einem Feuer bedroht, oder stand der Wagen, wie jetzt, die meiste Zeit einfach nur still?

Im Inneren des Gebäudes empfing mich eine gespenstische Stille. Die Gänge, die einst von Ärzten, Pflegekräften und Patienten frequentiert wurden, lagen jetzt still und verlassen. Jeder Schritt, den ich auf den alten Fliesen machte, hallte durch die langen Korridore. Es roch nach Feuchtigkeit, nach Verfall und Moder. Überall fanden sich Spuren von Vandalismus: Graffiti, zerbrochene Fenster und Türen, die aus den Angeln gehoben worden waren. Es war klar, dass hier nicht nur die Zeit ihre Spuren hinterlassen hatte – auch frühere Besucher hatten das Gebäude stark in Mitleidenschaft gezogen.

Besonders auffällig waren die Spuren des Paintball-Clubs, der hier seine Spiele veranstaltet hatte. Farbbälle klebten an den Wänden, und der Boden war übersät mit den leuchtend bunten Flecken. Man konnte sich gut vorstellen, wie dieser Ort als Schauplatz sportlicher Schlachten gedient hatte. Doch die Frage blieb: Wie sehr hatte diese Nutzung zum Verfall beigetragen?


Das Preventorium Dolhain wurde in den frühen 1950er Jahren errichtet, als Tuberkulose noch eine der größten Bedrohungen für die Gesundheit in Europa darstellte. Sanatorien wie dieses sollten Patienten, insbesondere Kinder und Jugendliche, isolieren und ihnen die Möglichkeit geben, in einer kontrollierten Umgebung zu genesen. Der Standort wurde bewusst außerhalb der Städte gewählt, um den Patienten eine möglichst saubere, von frischer Luft geprägte Umgebung zu bieten. Die Behandlung bestand in erster Linie aus Ruhe, frischer Luft und Sonneneinstrahlung – in der damaligen Zeit eine der wenigen bekannten Methoden, um das Immunsystem zu stärken und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.

Die Architektur des Gebäudes ist typisch für Sanatorien dieser Zeit. Es wurde im Stil eines „Paquebots“, also eines Ozeanliners, gebaut, mit langen, terrassenartigen Balkonen, die nach Süden ausgerichtet waren. Diese Balkone dienten den Patienten als Aufenthaltsorte, wo sie stundenlang in der Sonne liegen konnten, in der Hoffnung, dass die frische Luft und das Licht ihre Heilung unterstützen würden. Die gesamte Struktur des Gebäudes war darauf ausgelegt, möglichst viel Licht und Luft in die Räume zu bringen. Große Fensterfronten und die weitläufigen Terrassen waren die markantesten Merkmale des Preventoriums.

Doch mit dem medizinischen Fortschritt, insbesondere der Verbreitung von Antibiotika, änderte sich die Behandlung von Tuberkulose grundlegend. Sanatorien wie das Preventorium wurden zunehmend überflüssig, da die Patienten nicht mehr über Jahre hinweg isoliert werden mussten. In den 1980er Jahren wurde der Betrieb des Preventoriums schließlich eingestellt, und das Gebäude verfiel. Fast vier Jahrzehnte lang stand es leer und diente lediglich als Ziel für Urban Explorer und andere Interessierte.


Gegenwart und Zukunft

Während meines Besuchs im Jahr 2016 zeigte sich das Gebäude in einem Zustand des fortschreitenden Verfalls. Viele Fenster waren zerbrochen, die Türen fehlten, und die Natur hatte weite Teile des Innenraums erobert. Die langen Flure, die einst von Patienten und Personal genutzt wurden, lagen nun still und verlassen. Doch trotz des offensichtlichen Verfalls gab es auch Anzeichen dafür, dass das Gebäude eine zweite Chance bekommen könnte.

Bereits kurze Zeit nach meinem Besuch wurden Pläne bekannt, das Preventorium Dolhain zu restaurieren. Die äußere Struktur des Gebäudes, insbesondere die ikonischen Terrassen und die charakteristischen Linien des „Paquebot“-Stils, soll weitgehend erhalten bleiben, während das Innere modernisiert wird. Vorgesehen sind Appartements und Büroflächen, die das historische Erbe des Gebäudes wahren sollen, gleichzeitig aber den modernen Anforderungen gerecht werden. Die geplanten Appartements werden Zugang zu den Terrassen haben, die einst für die Patienten gedacht waren, sodass die ursprüngliche Nutzung als heilender Rückzugsort in gewisser Weise weiterlebt.

Ein weiteres interessantes Element der Zukunftspläne ist der Radweg, der direkt am Gebäude vorbeiführen soll. Dieser neue Radweg wird die Region besser mit den umliegenden Städten verbinden und könnte dazu beitragen, das Gebiet für Pendler und Touristen attraktiver zu machen. Das gesamte Projekt wird voraussichtlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen, aber die Vision ist klar: Das Gebäude soll in seiner neuen Form als modernes Wohn- und Arbeitsquartier eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft schlagen.


Informative Fakten

Architektur und Funktionalität: Das Gebäude ist ein Paradebeispiel für die Sanatorien-Architektur der 1950er Jahre. Die großzügigen, nach Süden ausgerichteten Terrassen sollten den Patienten ermöglichen, sich unter freiem Himmel zu erholen und von der frischen Luft zu profitieren. Der „Paquebot“-Stil des Gebäudes, der an Ozeandampfer erinnert, symbolisierte Fortschritt und Modernität und sollte den Patienten Zuversicht und Optimismus vermitteln. Die Struktur war darauf ausgelegt, Licht und Luft durch die großen Fenster in die Innenräume zu lassen.

Feuerwehrfahrzeug: Der Renault-Feuerwehrwagen vor dem Gebäude stammt aus den 1950er Jahren und war früher für den Brandschutz des Preventoriums zuständig. Das Fahrzeug war technisch fortschrittlich für seine Zeit, ausgestattet mit einer hydraulischen Leiter und robusten Reifen, die es auch in schwierigem Gelände einsatzfähig machten. Heute ist es ein beliebtes Fotomotiv für Urbexer und ein stiller Zeuge der vergangenen Zeiten.

Geschichtlicher Kontext: Das Preventorium war eines der letzten Sanatorien, die in Belgien gebaut wurden. Es war speziell darauf ausgelegt, Kinder und Jugendliche, die an Tuberkulose erkrankt waren oder gefährdet waren, zu isolieren. Diese Einrichtungen waren in den 1950er Jahren weit verbreitet, bevor der Durchbruch von Antibiotika die Behandlung von Tuberkulose revolutionierte und Einrichtungen wie das Preventorium überflüssig machte.

Zukunftspläne: Die geplante Renovierung des Preventoriums sieht vor, das historische Äußere zu bewahren, während das Innere vollständig modernisiert wird. Es wird erwartet, dass das Gebäude nach Abschluss der Arbeiten als Wohn- und Bürokomplex genutzt wird. Der nahegelegene Radweg, der das Gebiet besser mit den umliegenden Städten verbindet, macht das Projekt zusätzlich attraktiv. Ziel ist es, das historische Erbe des Gebäudes zu wahren und gleichzeitig eine moderne Nutzung zu ermöglichen.


Mein Besuch im Preventorium Dolhain war eine Reise in die Vergangenheit und ein Ausblick auf die Zukunft. Der Verfall des Gebäudes hat eine melancholische, aber dennoch faszinierende Atmosphäre geschaffen. Doch der geplante Umbau lässt Hoffnung aufkommen, dass dieser Ort nicht für immer dem Vergessen anheimfallen wird. Mit der geplanten Restaurierung und der neuen Nutzung als Wohn- und Arbeitsquartier wird das Gebäude in neuer Form wieder Teil des täglichen Lebens werden – eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Ich hoffe, dass das historische Erbe und der einzigartige Charakter dieses Ortes auch in der neuen Nutzung erhalten bleiben.



Quellen

Ein Großteil der Informationen basiert auf meinen eigenen Beobachtungen und Recherchen vor Ort. Ergänzende Fakten zur Geschichte und den Renovierungsplänen stammen aus verschiedenen Artikeln und Berichten über das Preventorium Dolhain.

Frisch ↔ Lange Verlassen
Einmal kurz durchwischen ↔ Morbider Charme
Vandalismus ↔ Natürlicher Verfall
Leere Räume ↔ Viel zu entdecken
Schöne Weitwinkelmotive
Detailaufnahmen
Außenaufnahmen
Persönliche Wertung

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Quellen
Der SpurensammlerSmartphoto78BRF NachrichtenBRF NachrichtenWikipedia

Rico Mark Rüde

Seit 2002 widmet er sich der urbanen Erkundung, indem er unbekannte Orte aufspürt, die oft im Verborgenen liegen, obwohl sie mitten unter uns sind. Seine Entdeckungen hält er fotografisch fest und bereichert sie in seinem Blog mit ausführlichen Recherchen und Texten. Neben seinem Interesse für das Urbexing engagiert er sich auch im Schreiben von Geschichten und Büchern sowie im detailreichen Modellbau.

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