Es gibt verlassene Orte, an denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint – Orte, die nicht nur eine Geschichte erzählen, sondern diese spürbar machen. Die ehemalige Galvanisiererei des Direktors, tief im ländlichen Belgien gelegen, ist ein solcher Ort. Einst ein Zentrum der Metallveredelung und Industrie, steht sie heute still, leer und überwuchert. Zu ihrer Glanzzeit war sie ein Stolz der Region, doch heute ist sie nur noch ein Denkmal des Verfalls.
An einem heißen Tag Mitte Juli 2016 betrat ich das Gelände. Die Sonne schien unbarmherzig auf die verlassenen Gebäude, während ich mich langsam durch die verfallenen Hallen und überwucherten Außenanlagen bewegte. Es war, als sei die Fabrik für diese letzte, stumme Erkundung aufrecht geblieben – ein stummer Zeuge eines vergangenen Industriezeitalters. Der Verfall hatte das Gelände längst im Griff, aber dennoch war es unmöglich, die Bedeutung und die Geschichten, die hier verborgen lagen, zu übersehen.
Die Stimmung des Tages
Mitte Juli herrschte drückende Hitze, die das gesamte Gelände wie in einen Schleier aus Trägheit und Verfall hüllte. Der modrige Geruch des nassen Betons und der verrottenden Materialien drang mir sofort in die Nase, als ich über das mit Unkraut überwucherte Kopfsteinpflaster ging. Die drückende Luft verstärkte das Gefühl von Verlassenheit und Einsamkeit, und während ich tiefer in das Gelände vordrang, konnte ich fast den Geist der Vergangenheit spüren.
Die hohen Hallen, durch die der Wind leicht hindurchwehte, waren erfüllt von einem leisen metallischen Knarren. Es klang, als ob die Gebäude selbst seufzten, unter der Last der Jahre, die seit ihrer Schließung vergangen waren. Es war dieser eigenartige Kontrast zwischen Stille und Bewegung, der das Erkunden dieser Ruinen so eindrucksvoll machte. Man konnte spüren, dass hier einst das Leben tobte – aber nun herrschte nur noch das Echo des Verfalls.
Erster Eindruck
Ich begann meinen Rundgang im alten Bürotrakt, der von außen kaum noch als solcher erkennbar war. An der bröckelnden Fassade hing noch ein altes Schild mit der Aufschrift „Bureaux“. Einiges war noch erhalten, trotz der zerschlagenen Fenster und der hereinbrechenden Natur. Drinnen lagen alte Büromöbel kreuz und quer, als wären sie hastig verlassen worden. Der Boden war von einer dicken Staubschicht bedeckt, und zwischen den Möbeln fanden sich verstreute Akten, vergilbt und zerfallen.
Ein alter Kalender an der Wand zeigte noch den Februar 2014, das Schicksalsdatum des endgültigen Bankrotts. Der Raum roch nach modriger Feuchtigkeit, die Wände waren mit Flecken durchzogen, und alte Neonröhren baumelten locker von der Decke. In einer Ecke entdeckte ich alte Buchhaltungsunterlagen – ein Relikt aus einer anderen Zeit. Dieser erste Raum war ein Fenster in die jüngste Vergangenheit des Ortes, als hier noch Menschen arbeiteten und die Maschinen in Betrieb waren.
Der Weg in die Produktionshallen
Nachdem ich die Büros verlassen hatte, betrat ich die weiten Produktionshallen, die noch immer ein Gefühl von Größe und Bedeutung vermittelten. Die Hallen waren groß, aber nicht „gigantisch“ im übertriebenen Sinn. Sie waren funktional, klar strukturiert und zeugten von der harten, manuellen Arbeit, die hier einst geleistet wurde. Es war ein seltsamer Moment, als ich in die Mitte der Halle trat – die Stille war fast greifbar, nur das ferne Klirren der zerbrochenen Fenster war zu hören.
In der Mitte einer der Hallen entdeckte ich eine große Gießanlage. Obwohl der Rost ihr zugesetzt hatte, strahlte sie noch eine gewisse mechanische Eleganz aus. Daneben lagen alte Werkzeuge und Schienen, die einst für den Transport der schweren Metallteile genutzt wurden. Der Boden war mit Staub und Ölrückständen bedeckt, und der Geruch von altem, eingetrocknetem Öl erfüllte die Luft. Es war eine seltsame Mischung aus Faszination und Trauer, diesen Ort zu erkunden, der einst so lebendig gewesen sein musste.
Die Natur hatte längst begonnen, das Gelände zurückzuerobern. Pflanzen wuchsen aus den Rissen im Beton, und die Wände der Hallen waren stellenweise fast vollständig von Efeu überwuchert. Es war, als kämpften die menschliche Schöpfung und die Kraft der Natur in einem unaufhaltsamen Wettlauf gegeneinander.
Die Stille des Verfalls
In diesen Momenten fiel mir die absolute Stille besonders auf. Keine Geräusche, abgesehen vom gelegentlichen Wind, der durch die zerbrochenen Fenster pfiff. Es war fast unheimlich, wie der Ort, der einst voller Lärm und Aktivität gewesen sein muss, jetzt so ruhig und leer dalag. Ich konnte mir nur vorstellen, wie es damals hier gewesen sein musste – das ständige Hämmern und Klirren von Metall, das Summen der Maschinen und die Rufe der Arbeiter. Doch jetzt waren nur noch die stillen, leeren Räume übrig, die von einer längst vergangenen Zeit erzählten.
Entstehung und Blütezeit
Die Geschichte dieses Geländes begann bereits im 18. Jahrhundert. Im Jahr 1700 wurde am Ufer der Vesdre eine wasserbetriebene Metallmühle errichtet, die die natürlichen Ressourcen der Region nutzte. 1797, während der industriellen Revolution, wurde die Mühle in ein Walzwerk umgewandelt, das in den folgenden Jahrzehnten zu einem der wichtigsten Industriebetriebe der Region wurde.
Die ideale Lage an einem Fluss, der die Maschinen mit Energie versorgte, und die wachsende Nachfrage nach veredeltem Metall führten dazu, dass die Fabrik stetig expandierte. 1811 wurden eine Zinnschmiede und eine Spinnerei auf dem Gelände errichtet, die bis 1860 in Betrieb blieben. Während dieser Zeit war das Werk ein wichtiger Arbeitgeber für die umliegende Bevölkerung und ein bedeutender Akteur in der regionalen Industrie.
Der Aufstieg und die industrielle Revolution
In den Jahren zwischen 1883 und 1965 erlebte die Fabrik ihre Blütezeit. Es wurden hier nicht nur Bleche gewalzt, sondern auch Gewehrläufe und Messer produziert – ein entscheidender Beitrag zur Schwerindustrie der damaligen Zeit. Besonders erwähnenswert ist die Herstellung von damaszenischem Stahl, der für seine Härte und Schönheit bekannt war und vor allem in der Waffenherstellung von großer Bedeutung war.
In den 1970er Jahren begann der langsame Niedergang. Verschiedene Unternehmen, darunter „Prometa“ und „Cadmiage Maurice Gilson“, übernahmen das Werk und setzten es in Teilen fort. Doch der Druck der Globalisierung und der technologischen Entwicklungen ließ auch diesen Betrieb allmählich unrentabel werden.
Das Ende einer Ära – der Bankrott und die Aufgabe
Im Jahr 2014 kam das endgültige Ende. Die Firma Galvanoplastie Maurice Gilson meldete Konkurs an, nachdem sie über Jahre hinweg mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatte. Der Betrieb kam zum Stillstand, die Maschinen verstummten, und die ehemals pulsierende Fabrik wurde sich selbst überlassen. Dies markierte den endgültigen Niedergang eines einst blühenden Industriezweigs.
Der Abriss und die Gegenwart
Nach der Schließung blieb das Gelände einige Jahre sich selbst überlassen, bevor 2017 der Abriss begann. Die Arbeiten waren eine enorme Herausforderung, da sich in den Gebäuden über 18.000 Liter gefährlicher Chemikalien angesammelt hatten, darunter Schwermetalle wie Chrom, Zink und Cyanide. Die Reinigung des Geländes und die Beseitigung der giftigen Rückstände nahm mehrere Jahre in Anspruch.
Die Dekontaminierungsmaßnahmen wurden von der belgischen Umweltschutzagentur SPAQUE durchgeführt, die das Ziel hatte, die Region von den gefährlichen Altlasten zu befreien. Der Abriss der meisten Gebäude erfolgte 2017 bis 2019. Es gibt Pläne, das Gelände einer neuen Nutzung zuzuführen, aber die vollständige Sanierung wird voraussichtlich noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
Informative Fakten
- Galvanotechnik und ihre Bedeutung:
Die in der Fabrik verwendeten galvanischen Verfahren, insbesondere die Anodisierung von Aluminium und die Verzinnung von Kupfer, spielten eine entscheidende Rolle im Produktionsprozess. Diese Verfahren wurden verwendet, um Metalle vor Korrosion zu schützen und ihre elektrischen Eigenschaften zu verbessern. Die Verzinnung, ein elektrochemischer Prozess, bei dem Zinn auf Kupfer aufgetragen wird, war besonders wichtig für die Fertigung von Bauteilen, die in der Elektronik- und Automobilindustrie verwendet wurden. - Umweltschäden und Dekontaminierung:
Aufgrund der chemischen Prozesse, die in der Fabrik durchgeführt wurden, hinterließ der Betrieb erhebliche Umweltschäden. Schwermetalle, Cyanide und organische Lösungsmittel kontaminierten das Gelände. Die Dekontaminierungsmaßnahmen umfassten die Entfernung von mehr als 18.000 Litern gefährlicher Chemikalien und die Beseitigung von belasteten Böden. SPAQUE führte umfangreiche Bodensanierungsarbeiten durch, um die Schäden zu beheben und das Gelände für eine zukünftige Nutzung vorzubereiten. - Technische Details:
Die Anodisierung von Aluminium, eines der Hauptverfahren, verstärkte die Korrosionsbeständigkeit des Materials und verbesserte seine Oberflächenhärte. Dieser Prozess war besonders wichtig für die Herstellung von langlebigen Bauteilen, die in rauen Umgebungen eingesetzt werden konnten. Die Verzinnung schützte Kupfer vor Oxidation und ermöglichte den Einsatz in elektrischen Leitungen, die in der Automobilindustrie und der Elektronik verwendet wurden.
Der Besuch in der ehemaligen Galvanisiererei des Direktors war eine Reise in die Vergangenheit, in die Zeit des industriellen Aufschwungs und in den unvermeidlichen Verfall der Schwerindustrie. Heute ist von der einst so bedeutsamen Fabrik nur noch wenig übrig – der Abriss und die Dekontaminierung haben das Gelände verändert, und es bleibt abzuwarten, was die Zukunft für dieses Gebiet bereithält. Doch die Erinnerungen an diesen stillen Ort und seine einst so große Bedeutung bleiben – für die Region und für diejenigen, die ihn erkundet haben.
Quellen
Die Informationen dieses Artikels basieren auf einer Mischung aus persönlichen Erlebnissen und gründlicher Recherche, unter anderem aus Beiträgen auf Urban-Exploring-Seiten sowie historischen Aufzeichnungen. Besonderer Dank gilt den detaillierten Berichten über die Region und die technische Entwicklung der Fabrik.
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