Fototrips

Carlos, der Güterzugführer

Carlos ist ein spanischer Einwanderer, der sich vor einigen Jahren ein Herz nahm und sein kleines Heimatdorf in Katalonien verließ, um in der großen weiten Welt sein Glück zu finden.

Er fand Eisenbahnen in jeglicher Form schon immer interessant und landete nach einer 1-monatigen Backpacker-Tour in einer kleinen bayrischen Provinz.

Bei einem älteren Ehepaar, das eine kleine Pension im Ort betrieb, fand er schließlich Unterschlupf. Er versprach in etwas gebrochenem Englisch, dass er für die Unterkunft mit Haushaltsarbeiten zahlen würde, bis er einen festen Job finden würde. Die beiden netten älteren Leute willigten ohne Nachzudenken ein, denn die beiden hatten schon immer ein großes Herz.

Ein paar Tage später ging Carlos zu einem örtlichen Güterbahnhof, um sich nach eventuellen Jobmöglichkeiten zu erkundigen. Er hatte Glück, der Betreiber suchte händeringend Personal. So durfte er die Ausbildung zum Lokführer beginnen und bekam dabei auch von seinem Arbeitgeber Unterrichtsstunden in Deutsch nebenbei. So ging etwas weitere Zeit ins Land und Carlos bestand seine Prüfung mit Bravour. Auch die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschte er mittlerweile beinahe einwandfrei und so freute er sich bereits auf seine ersten Touren.

Er bekam auch gleich eine Stammroute zugeteilt, die er bis auf weiteres zwei Mal am Tag befahren sollte. Diese führte ihn 200km von einem Kalkwerk zu einem weiterverarbeitenden Betrieb im nördlichen Nachbarbundesland. Die Strecke führte ihn über weite Strecken über weite Felder, wo man nur hin und wieder mal ein Bauernhaus stehen sah. “Hier draußen ist es angenehm ruhig, vielleicht kann ich hier später meinen Lebensabend verbringen”, dachte Carlos so bei sich.

Auch ein klein wenig Stadtleben konnte Carlos von seinem tonnenschweren Zug jeden Tag erleben, denn die Bahnstrecke streifte auch zum Teil einen Wohnort und führte ihn an kleinen Mehrfamilienhäusern und einer Grundschule vorbei. Da den Schulhof und die Bahnanlagen nur ein dicker Zaun mit Maschen aus Stahl trennte, konnte er die Kinder jeden Tag beim Spielen auf dem Pausenhof beobachten und die Kinder winkten ihm fröhlich zu wenn er vorbei fuhr.

Eines Tages sollte Carlos eine Sondertour übernehmen. Sein Zug war vollgeladen mit Eisenerz und dieses sollte heute noch zum einem Stahlwalzwerk gebracht werden. Carlos, der ohne Familie oder großen Freundeskreis in Deutschland war, nahm natürlich die Möglichkeit, mehr Geld zu verdienen, an und schwang sich auf seine Lok. Es war mittlerweile früher Abend geworden und so setzte er seinen tonnenschweren Zug in Gang, immer Richtung Norden. Als er so in den Sonnenuntergang fuhr und wieder einmal an der Grundschule vorbei kam, sah er, dass trotz der Uhrzeit noch Kinder dort spielten. Also betätigte er fröhlich die Hupe seines Zuges um die Kinder zu grüßen. Diese winkten ihm freudig zu und so war die Fahrt wieder einmal für Carlos etwas besonderes.

Am Zielort angekommen, war die Nacht bereits über dem Werk herein gebrochen. Die örtlichen Mitarbeiter zeigten Carlos sein Schlafquartier für die Nacht, da er am nächsten Tag mit einem Kollegen zusammen zurück in seine Heimatstadt fahren könnte. Er legte sich zu Bett und dort fand er dann in der Nacht seine letzte Ruhe. Keiner wusste, warum er so plötzlich entschlief, doch die beiden älteren Eheleute, die ihm so herzlich Unterkunft gewährt hatten, waren sich sicher: “Er fährt nun die großen schweren Güterzüge im Himmel”

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Roman Reed

Seit 2002 widmet er sich der urbanen Erkundung, indem er unbekannte Orte aufspürt, die oft im Verborgenen liegen, obwohl sie mitten unter uns sind. Seine Entdeckungen hält er fotografisch fest und bereichert sie in seinem Blog mit ausführlichen Recherchen und Texten. Neben seinem Interesse für das Urbexing engagiert er sich auch im Schreiben von Geschichten und Büchern sowie im detailreichen Modellbau.

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